Mittwoch, 4. November 2015

Frauenquote



Sollen wir Frauenquoten in Chefetagen einführen, ja oder nein? Die ökonomische, liberale Position ist natürlich nein, denn was wollen schon Politiker wissen, wer der beste Mann oder die beste Frau für einen Job ist, das wissen doch nur die Herren, die das im Einzelfall entscheiden. Ja, und im Einzelfall ist dann einer von diesen Herren, die das entscheiden, grad selbst eine Frau.

[HR-Abteilungen können sofort damit anfangen.]

Die feministische Position, wenn ich sie gut verstanden habe, ist weniger klar. Einerseits wären Quoten gut, sehr wichtig sogar, aber andererseits degradieren sie die Frau offiziell zum Mängelwesen und zementieren damit das vorherrschende Menschen- resp. Frauenbild. Dass eine unappetitliche Inkompetenzzuschreibung nach wie vor existiert, wurde gerade eben wieder nachgewiesen: In einem online Kurs waren die betreuenden Professor/innen nie körperlich zu sehen. Einigen Studierenden gegenüber gab sich das Betreuungsteam immer als eine männliche Person aus, anderen gegenüber als Frau. Wer meinte, von einer Frau betreut worden zu sein, war mit dem Kurs deutlich weniger zufrieden. Wie also nun: Für oder gegen Quoten?
Völlig unklar ist mir, ob ich als Mann eigentlich überhaupt eine Meinung zur Frauenquote haben darf oder ob ich mich a priori in die Nesseln setze. Ich erlaube mir, eine Meinung zu haben und sie auch zu äussern, weil ich als kinder-mit-erziehender Mensch nach altem Denkmuster eigentlich schon fast ein wenig „frau“ bin. Wohl wäre es übertreiben, mich dann als Frau mitzuzählen, wenn ich in einer Geschäftsleitung Einsitz nähme. Aber ich finde es merkwürdig, dass man von Frauen, die Kinder haben, erwartet, dass sie sich persönlich um diese kümmern -  und zwar nicht nur kurz vor dem Insbettgehen und am Wochenende - während umgekehrt von Männern erwartet wird, dass sie beim zeitlichen Engagement für die Kindererziehung Zurückhaltung üben, wenn als Alternative ein Geschäftsleitungsjob ruft.   
Lässt sich das Dilemma mit mutigen Frauen lösen? Nicole Althaus etwa, schreibt von sich in der NZZ: Ich bin eine Quotenfrau. Das ist mutig und das macht Mut, aber was jetzt fehlt ist die Aussage von ein paar prominenten Wirtschaftsführern: Ich bin ein Seilschafts-Mann. Oder ein Grosse-Klappe-Mann. Oder: Ich bin gar nicht der, der sich am besten für den Job eignet, sondern unter denen, die sich einigermassen eigneten, war ich der, der die meisten anderen VR- Mitglieder bereits gekannt hatte. Das wäre in nicht wenigen Fällen wohl ehrlich. Und mutig. Nur: Auf solche Aussagen werden wir wohl lange warten.
Wir sollten also nach anderen Ansätzen Ausschau halten. Und siehe da: In einer höchst spannenden Studie erweist sich eine Idee als wirksam, die erst noch politisch korrekt und praktikabel ist. Es ist folgende Spielregel bei der Stellenbesetzung: Im Personenkreis derer, die in die engere Auswahl kommen, muss der Frauenanteil zwingend 50% sein, die Wahl ist danach frei. Eine Frauen-Vorauswahl-Quote also. Die Wirkung: Unter den tatsächlich Gewählten ist der Frauenanteil ähnlich hoch, ohne dass irgendein Zwang ausgeübt wird. Mir wurde ein Beispiel zugetragen, wo ein Personalentwickler (ja, es ist ein Mann) in einer grösseren Organisation in Bern dafür sorgt, dass es bei den Kandidierenden für das Talent-Programm immer gleich viele Frauen wie Männer hat. Dies, obwohl „gelebte Gleichstellung“ nicht wirklich als besondere Stärke der Organisation gelten kann. Und seine Erfahrung entspricht dem Forschungsresultat: Unter den Aufgenommenen ins Förder-Programm ist der Frauenanteil fast 50% ist. Was dazu nötig ist, sind viele Gespräche mit Frauen: Passe ich dazu? Ist das für mich? Kann ich das? Passt das in meinen Lebensentwurf? – Diese Fragen stellen sich Frauen offenbar öfter als Männer. Die Basisarbeit, die geleistet werden muss, damit die Frauenquote bereits unter den Kandidierenden stimmt, ist nicht zu unterschätzen: Geeignete Frauen müssen als solche erkannt, direkt angesprochen, individuell eingeladen und persönlich ermutigt werden. – Und warum ist so viel Aufwand für Frauen nötig, fragt der ach-so-liberale-Mann? - Weil Frauen in unserer Gesellschaft systematisch entmutigt werden, da darf man sie schon ein wenig aufbauen. Eine OECD-Auswertung von PISA-Daten zeigt beispielsweise, dass junge Frauen in Mathematik gleich gut abschneiden würden wie junge Männer, wenn sie gleich selbstsicher bezüglich Mathe wären. Wenn man die Mädels und Jungs nämlich zuerst in verschiedene Kategorien von gleichem Mathe-Selbstbewusstsein einteilt und dann ihre Leistungen vergleicht, verschwinden die Geschlechterunterschiede. Interventionsstudien zeigen, dass diese Schlussfolgerung auch praktikabel ist.
Natürlich wäre es jetzt wunderbar, wenn mutige Topkader und mutige Politikerinnen und Politiker diese Idee aufgreifen würden. Aber das Beste an der Frauen-Vorauswahl-Quote ist, dass wir auf solcherlei nicht warten müssen: Viele HR-Abteilungen können einfach heute damit anfangen, wie der erwähnte Personalentwickler, ohne jemanden zu fragen, die Frauenquote sozusagen durch die Hintertür einzuführen. Ganz legal, versteht sich. Ein Satz zur Gleichstellung in irgendeinem Strategiepapier als Legitimation findet sich ja immer.

 (Nachtrag: Hier ist ein Artikel der HBR von 2016, der die These dieser Kolumne stützt.)
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