[Vielleicht wäre es eben doch nicht so dumm, Neid als Charakterschwäche zu sehen.]
Daher schöpfen auch nur Wenige Verdacht, wenn der Neid in der
Wirtschaftswissenschaft nicht als Charakterschwäche, sondern „Bedürfnis“
behandelt wird. Das könnte sich aber als folgenschwerer Irrtum erweisen. Denn
während sich Grundbedürfnisse nach Nahrung und Schutz, nach Geborgenheit und sogar
nach sozialer Anerkennung grundsätzlich befriedigen liessen, sorgt der Neid
dafür, dass die Bedürfnisse nie enden: Das Gras ist immer grüner in Nachbars
Garten. Somit gibt es immer zu wenig grünes Gras, es herrscht immer Knappheit.
Die Wirtschaft, die sich definitionsgemäss um die Überwindung
der Knappheit bemüht, hat natürlich vorgesorgt, damit ihr die Aufträge nicht
wegbrechen. Sie schafft die Bedürfnisse erst, indem sie uns mit Werbung
vollpumpt, unsere Vorstellungen manipuliert, was wir für „normal“ halten, und uns
neidisch macht. Wenig überraschend hat man etwa herausgefunden, dass Männer,
denen man eine Weile lang Bilder von schönen Frauen zeigt, danach unzufriedener
sind mit ihrer Lebenspartnerin.
Genau auf diesen Effekt zielt das Marketing ab. Die eigentliche Informationsfunktion, die das Marketing legitimieren würde, hat das Marketing längst abgegeben, weil es nichts mehr zu informieren gibt. Die Produkte haben sich unter dem Wettbewerbsdruck angeglichen. Früher gab es mitunter noch Autos, die rosteten und laufend Pannen hatten. Da gab es noch etwas zu informieren. Heute sind die Autos qualitativ auf einem derartigen Stand, dass der ADAC seine Pannenstatistik fürs Jahr 2014 umschreibt, sodass Pannen der ersten zwei Jahren schon gar nicht mehr gezählt werden, weil es so wenige sind. - Schön, sagt der Ökonom, da sieht man wieder einmal, was der Wettbewerb alles zustande bringt. Und Recht hat er. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Und damit meine ich nicht die 80‘000 für einen neuen, pannensicheren Wagen der Oberklasse, sondern die Überlastung der Menschen, die sich über alle Massen anstrengen, um ein gesellschaftliches Status-Symbol ihr Eigen zu nennen.
Genau auf diesen Effekt zielt das Marketing ab. Die eigentliche Informationsfunktion, die das Marketing legitimieren würde, hat das Marketing längst abgegeben, weil es nichts mehr zu informieren gibt. Die Produkte haben sich unter dem Wettbewerbsdruck angeglichen. Früher gab es mitunter noch Autos, die rosteten und laufend Pannen hatten. Da gab es noch etwas zu informieren. Heute sind die Autos qualitativ auf einem derartigen Stand, dass der ADAC seine Pannenstatistik fürs Jahr 2014 umschreibt, sodass Pannen der ersten zwei Jahren schon gar nicht mehr gezählt werden, weil es so wenige sind. - Schön, sagt der Ökonom, da sieht man wieder einmal, was der Wettbewerb alles zustande bringt. Und Recht hat er. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Und damit meine ich nicht die 80‘000 für einen neuen, pannensicheren Wagen der Oberklasse, sondern die Überlastung der Menschen, die sich über alle Massen anstrengen, um ein gesellschaftliches Status-Symbol ihr Eigen zu nennen.
Über alle Massen? Wer bin ich denn, um den Menschen
vorzuschreiben, wie sehr sie sich anstrengen sollen? Bin ich etwa nur neidisch?
Würde ich letztlich nicht auch gerne einen exklusiven Wagen fahren? – Wer in
die Gesundheitsstatistik der Schweiz schaut, kommt nicht umhin sich die Frage
zu stellen, warum wir uns selbst trotz unserem Reichtum so wenig Gutes tun. Warum
arbeiten und überlasten wir uns, bis wir krank werden? Warum lassen wir zu, dass die Wirtschaft uns mit
Fernsehproduktionen und Werbung zumüllt, die uns anschliessend so handeln lassen?
– Vielleicht wäre es eben doch nicht so dumm, Neid als Charakterschwäche zu
sehen. Man braucht ja auch nicht zu übertreiben und Neid gleich eine Sünde zu nennen. Es
genügt, wenn allen klar ist, dass dem eigenen Glück im Weg steht, wer oft Neid
empfindet und dass so jemand Anlass hätte, etwas dagegen zu unternehmen.
Stört es Sie, dass alle Weltreligionen dies oder Ähnliches sagen? Dann vertrauen Sie vielleicht lieber der Glücksforschung, sie kommt zum selben Schluss: Dankbarkeit, zum Beispiel, ist trainierbar. Aber wer würde schon in ein Dankbarkeits-Training gehen? Wir gehen lieber in einen Kurs „Wie Sie sich besser durchsetzen“. Oder dann – unmittelbar nach unserem Burnout - in einen geruhsamen Gärtner-Kurs. In welchem wir feststellen, dass der Kollege nicht nur die schöneren Rosen hat, sondern auch die bessere Gartenschere und die modischere Gärtner-Jacke. Na, wenigstens wissen wir dann, wozu wir uns nach unserem Burnout wieder anstrengen sollen.
Was wäre mit dem "Glücksniveau" geschehen, wenn das BSP pro Kopf sich innerhalb der letzten 50 Jahre nicht auch verdoppelt hätte?
AntwortenLöschenWenn das BSP *weltweit* langsamer gewachsen wäre, wäre das Glücksniveau weltweit mutmasslich gleich wie es heute ist.
LöschenWenn aber das BSP *nur in der Schweiz* langsamer gewachsen wäre, was wäre dann mit dem Glücksniveau der Schweiz?
Es wäre wohl ein ganz, ganz klitze-kleines bisschen tiefer ... ausser, wir hätten für das langsamere Wachstum etwas Glücksförderliches erhalten, wie weniger Stress oder geringere Einkommensungleichheit. Dann könnte die Bilanz positiv sein.